
Kirchliche Grundherrschaft
Bis ins 17. Jahrhundert war der Taferl-Berg von einem Föhrenwald bedeckt. Der Bereich von Maria Taferl, Oberthalheim und Wimm gehörte zum Grundbesitz des Bischofs von Regensburg. Der von ihm zur Verwaltung eingesetzte Pfleger in Pöchlarn übte die Grundherrschaft aus.
Der erste Gottesdienst
Am 2. Juli 1659 wurde neben der Eiche und der hölzernen Kapelle ein Wächterhaus errichtet. Im Jahr 1660 kamen ein Kuratenhaus und der Bau einer Taverne dazu. Es wird berichtet, dass am 31. August 1660 ein Fleischhauer, ein Betenmacher (jemand, der Rosenkränze knüpfte) und ein Lebzelter bei der Grundherrschaft Pöchlarn angesucht hatten, hier Häuser bauen zu dürfen. Ein Jahr später wies der Bischof von Regenburg die Herrschaft Pöchlarn an, Baugründe um einen Reichstaler per Quadratklafter zur Verfügung zu stellen. Schließlich breitete sich der Ort Maria Taferl auf der Höhe des schmalen Bergrückens östlich der Wallfahrtskirche aus. Es ist anzunehmen, dass die Häuser in Maria Taferl in der Reihenfolge der Hausnummern errichtet wurden. Zunächst wurden auf der Nordseite der Hauptstraße zehn Häuser gebaut, die Bebauung der gegenüberliegenden Südseite folgte im Anschluss.
Der Ort beginnt zu wachsen
Lange Zeit reichte der Ort nur bis zur Wegkreuzung in Richtung Reitern, in etwa dort, wo sich heute der Ortsfriedhof befindet. Im Mai 1696 gab es auf dem „Täfferlberg“ 16 Häuser, nämlich zwei Wirtshäuser, zwei Gaden (Gade ist ein einräumiges Haus oder eine Kammer.), vier Beten- und Bändelkrämmer, zwei Fleischhauer, zwei Bäcker und Handwerker wie Schuhmacher sowie einen Viehhirten. In der Gemeindechronik von Maria Taferl werden 1773 erstmals zwei Wirte beim Namen genannt: Elias Steybel „bei den Löben“ („bei den Löwen“) (Haus Nr. 7) und Franz Dschirky „bei dem Lämbl“ („beim Lamm“) (Haus Nr. 11).
Im Jahr 1787 hatte Maria Taferl bereits 25 Häuser, Oberthalheim 6 und Wimm 4. In Maria Taferl standen hinter den Häusern Scheunen oder Ställe für Kühe, Pferde, Schweine und Geflügel. Einige Häuser besaßen große Keller für die Lagerung von Lebensmitteln und Getränken wie Bier und Wein. Neben Obstgärten hatten die Bewohner in der Senke zwischen Maria Taferl und Reitern bzw. Untererla jeweils einen „Hausacker“, den sie bewirtschafteten. Somit war eine Eigenversorgung möglich. In den Jahren 1805 und 1809 zogen Franzosen durch das Gebiet rund um Maria Taferl.
Gemeindegründung von Maria Taferl
1850 konstituierte sich die Ortsgemeinde Maria Taferl samt den Katastralgemeinden Reitern, Oberthalheim, Unterthalheim, Wimm, Obererla und Untererla. Der erste Bürgermeister wurde der Handelsmann Laurenz Fux.
Woher kam die neue Bevölkerung?
Die ersten Bewohner aus Maria Taferl kamen aus dem Grundherrschaftsgebiet von Pöchlarn. Ab 1870 ist ein Zuzug von vielen Familien aus dem nördlichen Bereich der österreichisch-ungarischen Monarchie zu verzeichnen. Sie kamen aus Nordböhmen, aber auch aus vielen Teilen Niederösterreichs. Es waren geschäftstüchtige Menschen, die hier in Maria Taferl eine neue Heimat fanden.
Das große Feuer
Am 3. August 1870 kam es zu einem Großbrand, bei dem fast alle Häuser und die Verkaufsstände niederbrannten. Lediglich die Gebäude rund um die Basilika und das Haus Nr. 5 blieben vom Feuer verschont. Um 8 Uhr abends erschien an der Unglücksstätte aus Artstetten Erzherzog Karl Ludwig, der Bruder Kaiser Franz Josephs I., mit seiner Gattin Erzherzogin Maria Annunziata.
Erzherzog Karl Ludwig aus Artstetten hilft
Betroffen von der Katastrophe hatte Erzherzog Karl Ludwig insbesondere die obdachlosen Maria Tafler bis in den Spätherbst in seinem Schloss unentgeltlich wohnen lassen. Fleißige Hände aus nah und fern sowie die finanzielle Hilfe Tausender ermöglichten einen raschen Wiederaufbau des Ortes. Bald schon wurde der Ort in seiner bisherigen Struktur noch schöner und größer errichtet. Bürgermeister Anton Klaus und eine Delegation des Gemeinderates von Maria Taferl besuchten Erzherzog Karl Ludwig in Schloss Artstetten und bedankten sich für die geleistete Hilfe beim und nach dem Brand in Maria Taferl. In den Jahren danach erfolgten infrastrukturelle Verbesserungen. Dazu zählten der Bau einer Wasserleitung und zahlreicher Straßenverbindungen, die Errichtung der Freiwilligen Feuerwehr, eines Postamtes, eines Telegraphenamtes und die Gründung einer Spar- und Darlehenskasse. Der Österreichische Touristenklub forcierte die touristische Erschließung des Ortes.
Viele Handwerker und Gastwirte kommen nach Maria Taferl
Um das Jahr 1900 blühte Maria Taferl auf, es ließen sich neben Gastwirte auch sehr viele Handwerker wie Bäcker, Fleischhauer, Devotionalienhändler, Gemischtwarenhändler, Kleidermacher, Lebzelter- und Wachszieher, Schuhmacher, Spirituosenhändler, Trafikanten, aber auch ein Hufschmied, ein Buchdrucker, ein Kaffeeschenker, ein Vergolder und ein Krippenspielinhaber nieder.
Es war auch jene Zeit, in der tausende und abertausende Pilger den Weg nach Maria Taferl fanden. Die Infrastruktur des Ortes wurde erweitert und verbessert, neben Pilgern kamen Wanderer und Touristen.
Wirtschaftliche Rückschläge brachten die beiden großen Weltkriege ab 1914 und dann wieder ab 1939. Heute zählt Maria Taferl zu den schönsten Orten Österreichs!
Gab es bis Mitte/Ende des 20. Jahrhundert noch sehr viele Bauern in den Gemeinden von Maria Taferl, gibt es heute nur mehr wenige, die die Felder bewirtschaften und Rinder, Kälber, Schweine, Schafe oder Pferde züchten. Die heutige Bevölkerung setzt sich aus Arbeiter, Angestellte, Selbständige, Gastronomen und einigen wenigen Bauern zusammen.
Trotz Veränderung der Bevölkerung entwickelte sich Maria Taferl zu einem sehr beliebten Wallfahrts-, Ausflugs- und Urlaubsort, das durch Schaffung neuer Infrastruktur (Volksschule, Kindergarten, Wohnraum, Baugründe) stetig wächst.
Zusammengestellt von Dr. Robert Wolf